Kolumne "Geistreich": Tatort

Hier erzählt unser (Un-)Ruheständler Andreas Geist über seine Eindrücke aus dem Leben eines Rentners.

© BRSNW

Mein Fernsehgerät hat noch einen von den fast antiken Plasma-Bildschirmen. Vor etwa 20 Jahren, als er angeschafft wurde, war er ein hochmodernes, flaches Teil mit einem brillanten Bild. Da er noch einwandfrei funktioniert, wird er auch noch weiter in Betrieb bleiben. Man möchte ja einen Beitrag zur Ressourcenschonung leisten. Daher drehe ich auch die Heizung ab, wenn ich fernsehe. Das Ding hat einen Energiedurchsatz wie ein Heizlüfter und das ersetzt mir die Zentralheizung.

Allerdings schalte ich ihn nur wenig ein, obwohl ich als Rentner ja reichlich Zeit zum Fernsehen hätte. Nachrichten, Sport, ein paar Dokumentationen und Reiseberichte, das sind so die Sendungen, die ich mir vorzugsweise ansehe. Früher habe ich auch gerne mal einen Krimi geguckt. Erinnern Sie sich noch an die alten Filme von Edgar Wallace, Francis Durbidge und Alfred Hitchcock? Die hatten noch was. Ok, das war damals noch auf dem schwarz-weiß Gerät bei meinen Eltern, aber die Spannung war kaum auszuhalten und man konnte sicher sein, dass die Polizisten und Ermittler die Schurken, die aus niederen Motiven wie Macht, Eifer- oder Habsucht, mordeten, dingfest machen würden.

Inzwischen hat es eine Inflation gegeben. Die Schurken kommen nicht mehr nur im Krimi vor, sondern auch in den Nachrichten und politischen Magazinen. Die Motive sind wohl noch die gleichen, aber die Lumpen nur selten zur Rechenschaft gezogen. Korruption, politische Morde, hanebüchene Urteile der Justiz, Putschversuche, Terror, Fake News.
Und als ob es nicht genügt mit diesen reellen Verbrechen konfrontiert zu werden, gibt es Dutzende Kriminalfernsehserien. Quer durch alle Programme, zu jeder Tageszeit (zur Not in den Mediatheken!) überall in Deutschland, Europa und rund um die Welt.

In Berlin, Bremen und Bremerhaven, Dortmund, Dresden, Frankfurt am Main, Freiburg im Breisgau, Göttingen, Hamburg und Norddeutschland, Kiel, Köln, Ludwigshafen am Rhein, Mainz, München, Münster, Nürnberg, Stuttgart, Weimar, Wien, Wiesbaden und Hessen sind laut o.g. Wikipedia-Eintrag Tatort-Kommissare im Einsatz. "Mir ham a Leich" heißt es dazu in Rosenheim, die Wasserschutzpolizei am Bodensee und in Berlin sucht Wasserleichen und selbst an schönen Orten wie Bozen, am Chiemsee, Istanbul , Venedig oder Friesland ist man dem Verbrechen auf der Spur. Die restlichen Fälle werden von den Sonderkommissionen in  Hamburg, Kitzbühel, Köln Leipzig, München, Potsdam, Stuttgart und Wismar gelöst. Und wenn die Kommissare dann Erholung brauchen und zu einer Kahnfahrt in den Spreewald reisen...
Wie wir bei so vielen Verbrechern in Deutschland mit nur 179 Justizvollzugsanstalten auskommen, ist mir ein Rätsel. Wo viele doch lebenslänglich kriegen ob ihrer Hinterhältigkeit und niedrigen Beweggründen. Noch mehr rätsele ich aber darüber, wer das alles guckt und warum? Hat man nicht irgendwann die Nase voll abenteuerlich konstruierten Handlungen, die dann für das Überraschungsmoment noch einen gänzlich unverdächtigen Bösewicht hervorbringen? Und nur der sympathische Kommissar (bei mir immer m/w/d !!!) hatte den richtigen Riecher, während Staatsanwälte und Polizeidirektoren publicitygeil und vorschnell ihr Urteil fällen.

Genug gelästert. Jeder nach seinen Interessen und wie er mag und kann. Aus niedrigen Beweggründen (Appetit) begebe ich mich jetzt an meinen persönlicher Tatort: die Küche. Die wird dann erst einmal von der Spurensicherung gründlich untersucht. Was befindet sich noch im Kühlschrank und in der Vorratskammer? Was könnte man mit den Vorräten darin planen? Wie könnte der Täter das Vorhaben umsetzen wollen?

Liebe Freizeitkommissare, Ihr werdet es nie ans Licht bringen, denn das wird: Das perfekte Dinner!

Ich wünsche Ihnen Frohe Ostern und eine kriminalfall- und coronafreie Zeit!

Ihr

Andreas Geist