Kolumne "Geistreich": Streik!

Hier erzählt unser (Un-)Ruheständler Andreas Geist über seine Eindrücke aus dem Leben eines Rentners.

© BRSNW

Aus dem Leben eines Rentners kann ich ja bereits seit einigen Jahren berichten. Und ich muss sagen, dass ich mit dem Rentnerleben nach wie vor sehr zufrieden und glücklich bin. Man ist frei in der Gestaltung seines Tagesablaufes, hat nur wenige Verpflichtungen und kann tun und lassen, was man möchte. Auch in Urlaub fahren, wenn das Wetter hier -  wie in den letzten Wochen und Monaten - nur grau, nasskalt und ekelig ist. Daher war der Plan in südlichen Gefilden etwas Sonne zu tanken schnell beschlossene Sache zwischen meiner Frau und mir.

Natürlich wäre es die einfachste Lösung gewesen eine Lastminute Flugreise zu buchen. Auf die Kanaren, Andalusien, Süditalien oder wo auch immer angenehmeres Klima herrscht als hier. Drei, vier Stunden Flug und schon kann man den Bauch in die Sonne halten.

Angebote fanden sich zuhauf, doch Rentner verfolgen auch die Nachrichten und damit begann das Grübeln. Was wäre, wenn das mit dem Zug zum Flug nicht klappt, weil ein gewisser Herr Weselsky lieber erst einmal einen 5-Tage Warnstreik ansetzt statt eine Lösung für Verbesserungen im Tarifvertrag am Verhandlungstisch zu suchen? Dann wäre der Flughafen in Düsseldorf von hier nicht zu erreichen, denn auch im Öffentlichen Nahverkehr bleiben Busse und Bahnen gerne mal im Depot, wenn Änderungen sonst nicht durchgesetzt werden können. Letzte Möglichkeit: der Schwager fährt uns mit dem Auto. Die Klimakleber kleben ja vorerst nicht mehr an Straßen und Autobahnen und überlegen sich derzeit etwas Neues. Das mit dem Auto hätte klappen können, würden sich unsere Landwirte nicht als die Prügelknaben der Nation fühlen. So ein Trecker mit mannshohen Reifen und vielleicht sogar einem dicken Anhänger dran räumt man nicht so einfach von der Fahrbahn. Und wenn es hunderte davon sind – nein, mit dem Auto zum Flughafen und Fliegen an sich ist für sonnenhungrige Rentner keine gute Idee. Denn es könnte ja auch sein, dass das Bodenpersonal am Flughafen streikt oder die Angestellten der Security-Unternehmen beim Check-In. Vielleicht sogar das Kabinenpersonal oder die Piloten. Selbst wenn diese arbeitswillig wären, was machen die Fluglotsen? Also beim Fliegen wird man allzu leicht ausgebremst und für’s Klima ist es ja auch nicht so toll.

Was ist denn nur mit uns Deutschen los? In der Vergangenheit hatte ich immer den Eindruck, dass, wenn irgendwo in Europa gestreikt wurde, Italiener und Franzosen die aufmüpfigsten Bürger hätten.
Doch in der jüngeren Vergangenheit holen wir in Deutschland gefühlt rapide auf. Irgendwer streikt derzeit bei uns immer und besonders gerne da, wo es möglichst viele Bürger – nicht nur reiselustige Rentner -  empfindlich trifft: im Verkehr. Daher gab es nur eine Lösung: Das Wohnmobil wird aus dem Winterschlaf geholt, die Verkehrsmeldungen genau studiert und die Blockaden weiträumig umfahren! Spanien olé! Wir kommen!

Jede Reise im Womo beginnt mit einer groben Routenplanung. Eingehalten wird die bei uns selten, aber dieses Mal ist Fakt: Wenn wir nach Spanien wollen, müssen wir durch Frankreich. Sie ahnen wohl schon was kommt. Inspiriert durch die Bauernproteste in Deutschland blockierten die französischen Bauern das Straßen- und Autobahnnetz noch etwas radikaler als bei uns. Aber wir waren startklar und fuhren los, allerdings auf einer geänderten Route. Erstmal auf deutschen Autobahnen bis Süddeutschland, eine zusätzliche Zwischenübernachtung und siehe da: Die Franzosen zeigten sich friedfertig, die Proteste wurden eingestellt und wir kamen ohne Stau ans Mittelmeer! Allerdings endete unsere Reise auch dort, denn die spanischen Bauern…

Nicht, dass Sie jetzt glauben, ich würde die Errungenschaft des Streikrechts nicht gutheißen oder gar verbieten wollen, im Gegenteil. Das ist ein wichtiger Teil unserer Demokratie, der verhindert, dass Menschen ungerecht behandelt und ihre Arbeitskraft nicht adäquat bezahlt wird.

Eine Idee, wie ich das unterstützen kann, habe ich dann in der Sonne Südfrankreichs entwickelt.

Ich plane in Kürze einen Traktorenverleih aufzumachen. Wenn Sie wollen mieten Sie sich dann bei mir einen Trecker zu einem günstigen Preis und können damit bestreiken und blockieren, was immer Sie wollen. Führerschein vorausgesetzt.

Für die Blockade von Parteitagen Rechtsextremer und Nazitreffen gäbe es natürlich einen fetten Rabatt!

Schöne Ostertage wünscht Ihnen
Ihr
Andreas Geist