Kolumne "Geistreich": Fundbüro

Hier erzählt unser (Un-)Ruheständler Andreas Geist über seine Eindrücke aus dem Leben eines Rentners.

© BRSNW

Gefühlt war der Herbst 2023 ein einziger Dauerregen. Vermutlich wird das ganze Jahr das nasseste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881 werden. Da sind nicht nur die Flusspegel rapide gestiegen, auch die Talsperren sind wieder vollgelaufen – und so mancher Keller. Leider auch bei einem Freund, dem beim Retten und Trocknen seiner Dokumente ein alter Zeitungsartikel von vor 20 Jahren in die Hände gefallen ist, den er mir dann geschickt hat.

Inspiriert durch den Roman „Fundbüro“ von Siegfried Lenz macht der Autor Peter Bachér einen Besuch in einem fiktiven Fundbüro. Es ist aber kein Fundbüro, bei dem Schlüssel, Geldbörsen, Schirme usw. abgegeben werden, sondern eins, wo nach verlorenen Werten gefragt wird. Nach Dingen, die der Autor im öffentlichen Leben vermisst. Als erstes fragt er nach der Ehrlichkeit in der Politik und wird belehrt, dass dies keine Fundsache ist, die sich im Fundbüro wieder abholen ließe, sondern sich in Luft aufgelöst habe. Ähnlich wie Schamgefühl, Anstand und Würde…

Die Idee von Peter Bachér auf dem „Fundbüro“ nach verloren gegangenen Dingen zu forschen hat mir gefallen und ich habe mich gefragt, wonach ich noch so suchen würde. Bestimmt haben Sie da auch Ideen. Ich würde unter anderem nach dem gesunden Menschenverstand fragen, der offenbar vielfach abhandengekommen ist.

Beim Stöbern im Netz habe ich etwas über Elon Musk und seine Frau Grimes gelesen. Die Beiden haben ihrem ersten gemeinsamen Sohn den unaussprechlichen Namen X Æ A-12 gegeben und damit weltweit für Schlagzeilen gesorgt. In einem Interview mit der "New York Times" hat die kanadische Sängerin Grimes, die mit bürgerlichem Namen Boucher (= französisch für Metzger) heißt, verraten, dass sie ihren Sohn nicht mit seinem vollen Namen – sondern lediglich „X“ ruft. Das arme Kind. „X“, (vormals Twitter?) hat übrigens ein Schwesterchen mit dem Namen Exa Dark Sideræl Musk - genannt „Y“.

Die Frage, welchen Einfluss solch schräge Namen auf die Entwicklung und Sozialisation von XY haben, ist ungelöst, scheint aber die Eltern nicht weiter zu interessieren. Hauptsache extravagant! Das muss bei Milliardären vielleicht so sein, ist aber auch nicht unmittelbar gefährlich. Im Gegensatz zu manchen Mutproben, zu denen junge Menschen in den sozialen Netzwerken animiert werden. Da filmen sich Kinder beim Essen extrem scharfer Chips und stellen die Filmchen von ihren Leiden bei TikTok und anderen Plattformen ins Netz, nennen das Ganze dann „Challenge“ und sind stolz wie Oskar, weil andere sich den Quatsch angucken. Das lässt sich aber noch toppen: Statt Chips wird Waschpulver verspeist. Bei der „Tide-Pod-Challenge“ soll es bereits mehrere Tote gegeben haben. Wie viel müssen einem jungen Menschen Klicks und Likes wert sein, damit man so etwas Beklopptes tut? Also der gesunde Menschenverstand sollte nach meiner Meinung mit auf die Suchliste und ich würde diese noch ergänzen wollen. Respekt und Anerkennung sind vielfach auch verloren gegangen.

Wenn irgendwelche durchgeknallten Hohlköpfe Rettungsdienst, Polizei und Feuerwehr gezielt angreifen, mit Feuerwerkskörpern beschießen und bei der Arbeit behindern, wie vielerorts an Silvester passiert, dann fehlt nicht nur der Verstand.

Respekt und Anerkennung dafür, dass diese Leute tagtäglich für andere Menschen da sind, ihnen helfen und sie schützen wäre das mindeste was man erwarten darf. Vielleicht sogar Dankbarkeit – noch ein Begriff für die Suchliste.

Leider ist das Fundbüro nur eine Fiktion, es wäre ja zu schön, wenn man manche Leute einfach dort hinschicken könnte, um das Verlorene wieder abzuholen und die Probleme dieser Welt so zu lösen.
So gesehen sollten wir gut auf das aufpassen, was uns wichtig ist, damit es nicht verloren geht und wir vielleicht lange suchen müssen.

Alles erdenklich Gute im Jahr 2024 wünscht Ihnen
Andreas Geist