Kolumne "Geistreich": Chapeau!

Hier erzählt unser (Un-)Ruheständler Andreas Geist über seine Eindrücke aus dem Leben eines Rentners.

© BRSNW

Mensch, das hast Du gut gemacht! Wer eine außergewöhnliche Leistung erbracht hat, hört häufig den Ausruf: "Chapeau!" als Anerkennung. Das kommt aus dem Französischen und bedeutet so viel wie "Hut ab!" (chapeau = Hut). Für mich ist das ein sympathischer Weg, jemandem, der etwas bemerkenswertes geleistet hat, seinen Respekt zu bezeugen. Das bezieht sich auf alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens. Eine gute, engagierte Leistung sollte gewürdigt werden und ob es um einen Nobelpreis geht oder die ehrenamtliche Arbeit im Verein ist da völlig egal.*
Oft wird für das Erbrachte sogar ein Titel verliehen. Ein Doktortitel für eine wissenschaftliche Arbeit, ein Meistertitel für einen sportlichen Erfolg und Köche bekommen Sterne vom "Guide Michelin". Die Sterne werden dann auf das Trikot oder die Schürze gedruckt und der Doktortitel auf die Visitenkarte. Das ist völlig ok und zeigt auf den ersten Blick, dass man es mit einem Menschen zu tun hat, der schon etwas besonderes geleistet hat im Leben. Chapeau, mein Respekt!

Andere Titel dagegen beeindrucken mich nicht im Geringsten. Barone, Freiherren, Grafen, Prinzen (m/w/d) - die haben ihren Titel geerbt, können selbst die größten Pappnasen und Skandalnudeln sein und erwarten dennoch besonders behandelt zu werden. Die werden dann auch schon mal handgreiflich, wenn ihnen was nicht passt. Wie ein als "Prügelprinz" bekannter Urenkel von Kaiser Wilhelm II.
Es gibt sogar Menschen, die sind so titelgeil, dass sie sich Adelstitel oder Doktortitel kaufen, weil das ja was her macht. Auch viele Politiker sind offenbar der Auffassung, dass sich ein Titel positiv auf die Karriere auswirkt.  Dabei ist ein Doktortitel nicht einmal ein Titel, sondern ein akademischer Grad und auch kein offizieller Bestandteil des Namens. Bei manchen ist das Streben nach Anerkennung durch den äußeren Schein aber so groß, dass der Titel her muss, selbst wenn man bei anderen abschreibt und sich in seiner Eitelkeit mit fremden Federn schmückt. Die Liste der deutschen "Würdenträger" aus Politik und öffentlichem Leben, denen der Doktortitel wieder aberkannt wurde, ist lang. In diesen Fällen hatte der Titel dann meist eher negative Auswirkungen auf die Karriere. Ein Chapeau! gibt es von mir dabei nur für die Leute, die die Blender entlarvt und bloß gestellt haben.

Besonders beliebt scheinen Titel bei unseren österreichischen Nachbarn zu sein. Auf einer Internetseite der österreichischen Regierung finden sich 869 mögliche Titel! Nachgezählt habe ich nicht, sondern die Zahl nur gelesen. Freilich beziehen sich diese Titel in den meisten Fällen auf die berufliche Stellung oder sind Amtstitel. Aber nett zu sehen, wie detailliert dort geregelt ist, wie genau welche Titel zu führen sind.

Ich selbst komme ohne Titel aus. Obwohl ich offiziell einen verliehen bekommen habe führe ich diesen nicht. Die Mitglieder unserer Segelcrew haben mir schon vor längerer Zeit den Titel: "Leitender Bordingenieur auf Lebenszeit" verliehen, weil es mir wiederholt gelungen, ist kleine technische Probleme auf unseren Segeltörns zu beheben. Ein "Chapeau, es funktioniert wieder"  genügt mir. Da bin ich bescheiden.
Obwohl - ein weißer Helm statt Segelmütze und ein T-Shirt mit dem Aufdruck "BORDINGENIEUR" und drei goldenen Schraubenschlüsseln auf der Brust - das hätte was!
 

Herzlich grüßt

Andreas Geist

*(Anm.: Leider steht diese Würdigung derzeit in vielen Bereichen noch aus, etwa bei Klinikpersonal, Pflege- und Rettungskräften, Polizei und Ordnungsdienst u.a.m.).