Rückblick | Workshop zum Rehabilitationssport: Post-COVID-Syndrom – Formen, Fakten und Fragen

Am Donnerstag, 10. November 2022 ging es um ein komplexes Thema, das derzeit viele Vereine und Übungsleiter*innen beschäftigt: Post-COVID im Rehasport – was tun?

So lautete die Leitfrage des Workshops, den der BRSNW in Kooperation mit dem Kreissportbund Viersen online durchführte. Dr. Georg Schick leitete die dreistündige Veranstaltung am Abend.

Die Corona-Pandemie zeigt besonders drastisch, wie stark Gesundheits- und Krankheitsgeschehen sich von Fall zu Fall unterscheiden. Infektionen mit demselben Erreger lösen bei vielen Menschen nur leichte oder gar keine Krankheitssymptome aus, andere leiden unter schweren oder gar lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen. In manchen Fällen bleiben nach akuter – und vermeintlich überstandener – SARS-CoV-2-Infektion gesundheitliche Beschwerden langfristig: Orthopädische, internistische, neurologische sowie psychiatrische Symptome sind möglich.

"All diese Störungs- und Schadensbilder – erschreckend."

Beim Post-COVID-Syndrom bestehen vielfältige Langzeitfolgen 12 Wochen nach Ansteckung weiterhin oder treten dann überhaupt erst auf; und eine Verursachung durch andere Erkrankungen wurde ausgeschlossen. Als Hauptsymptome gelten Atemnot und Fatigue, die chronische Erschöpfung. Auch kognitive Probleme bis hin zur Bewusstseinstrübung kommen vor und belasten die Betroffenen schwer: Mentale Zustände wie Brain Fog (Gehirnnebel) schränken die Leistungsfähigkeit erheblich ein.

Das Atemwegsvirus SARS-CoV-2 kann neben Atemwegsbeschwerden eine Gefäßerkrankung auslösen, die zu einer Mangelversorgung verschiedener Organe führt und überschießende Entzündungsreaktionen hervorruft. So wirkt sich die Multiorgan-Erkrankung COVID-19 auf Lunge, Herz, Nieren, Blutgefäße und Blutzellen, Gehirn und Nervensystem sowie den Haltungs- und Bewegungsapparat aus. Komplexe Erklärungsmodelle werden in der medizinischen Forschung diskutiert. Eine Rolle spielen dabei geschädigte Gefäßwände, gestörte Gefäßneubildung, fehlgeleitete Immunreaktion und mehr. Wachsende Erkenntnisse über die Ursachen der unterschiedlichen Krankheitsverläufe können Ansatzpunkte für Therapie und Rehabilitation bedeuten.

"Mehr möglich als Lungensport – übergreifend denken!"

Für Post-COVID-Betroffene sind Aufklärung, Sensibilisierung und Verständnis für ihre Situation entscheidend, denn mögliche organspezifische Langzeitfolgen belasten ebenso wie chronische Erschöpfung und eingeschränkte Leistungsfähigkeit ihren Alltag. Und wer sich überfordert, riskiert bei Belastungsintoleranz eine Verschlimmerung der Symptome. Die psychosoziale Dimension des Post-COVID-Syndroms verschärft ihre Lage, doch liegt gerade hier ein Lichtblick: der Ansatzpunkt für Rehabilitation durch Sport.

Im Anschluss an sein Impulsreferat erarbeitete Schick mit den Teilnehmenden Praxisinhalte, die geeignet sind, Post-COVID-Betroffene in der Rehasportgruppe zu integrieren, um ihnen den Weg oder die Rückkehr zum Sport im Verein zu erleichtern. Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO zu Bewältigungsstrategien im Umgang mit Schmerz, Erschöpfung, kognitiven und psychischen Problemen flossen darin ein. Entscheidend ist die behutsame und individuell passende Belastungsdosierung. Der biopsychosoziale Ressourcenpool des Rehasports hilft dabei – insbesondere die Belastungssteuerung nach dem subjektiven Belastungsempfinden und sanfte Methoden, wie Übungen zu Körperwahrnehmung, Atemtechnik und Achtsamkeit.

"Rückschläge passieren – nicht entmutigen lassen!"

Mit acht Teilnehmer*innen waren sowohl Übungsleitung als auch Vereinsmanagement im Workshop vertreten. Einige von ihnen sind selbst betroffen und haben ihre persönlichen Erfahrungen mit der Gruppe geteilt. Immer wieder Pausen zu machen, den Leistungsanspruch herunterzufahren und Verständnis im sozialen Umfeld zu finden, bleibt für sie wichtig: "Ohne verlängerte Mittagspause komme ich nicht durch meinen Arbeitstag."

Die Herausforderung für die Vereine liegt nun darin, in Abstimmung mit den behandelnden Ärzt*innen individuell passenden Rehasport für Post-COVID-Betroffene anzubieten. Das bedeutet für die Übungsleitung, auf momentane Beschwerden, Einschränkungen und Belastungsgrenzen individuell einzugehen. Behutsamer Belastungsaufbau, Achtsamkeit und Pacing werden für viele Sportler*innen ein krasses Umdenken erfordern. Im Workshop kamen Bedenken auf, ob das in Sportgruppen für Menschen mit geistiger Behinderung realisiert werden könne.

Die Workshop-Teilnehmer*innen diskutierten Schwierigkeiten und erkannten die Notwendigkeit, in ihren Vereinen vor Ort eigene Wege zu finden, um Aufklärung, Sensibilisierung und Möglichkeiten für die Rückkehr zum Sport sowie für Hilfe zur Selbsthilfe im Rehasport zu schaffen: "Ich weiß jetzt, dass mit Post-COVID mehr möglich ist als Lungensport – wichtig für mich und meinen Verein." – "Wir müssen übergreifend denken und das Spektrum erweitern, um den Teilnehmern mit ihrer Vielfalt bei Post-COVID gerecht zu werden." – "Wir müssen dran bleiben."

Bewegt GESUND bleiben in NRW!

Als Fachverband für Rehabilitation durch Sport unterstützt der BRSNW die Vereine Nordrhein-Westfalens dabei, das Spektrum ihres Angebots zu erweitern und zu festigen. Workshops zum Rehabilitationssport richten sich an alle Sportvereine: Solche mit Erfahrung im Rehasport profitieren ebenso wie Interessierte, die sich neu mit dem Thema beschäftigen. Beide Seiten kommen dabei in Austausch und informieren sich. Im Rahmen des Förderprogramms Bewegt GESUND bleiben in NRW! unterstützt der Landessportbund Nordrhein-Westfalen (LSB NRW) die Workshops mit finanziellen Mitteln von LSB NRW und Staatskanzlei des Landes NRW. Der BRSNW führt sie in Zusammenarbeit mit kooperierenden Bünden und Fachverbänden durch. Kontakt: schick@brsnw.de

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