„Schwimmer werden im Winter gemacht“: Erste Standortbestimmung der WM-Saison

Der erste internationale Wettkampf des Jahres der deutschen Nationalmannschaft im Para Schwimmen ist vorbei: Beim Auftakt der World Series im italienischen Lignano stach besonders Maurice Wetekam aus dem sechsköpfigen Aufgebot von Bundestrainerin Ute Schinkitz heraus. Der 17-jährige Schüler von der SG Bayer landete zweimal auf dem Treppchen im Youth Final. Lignano war ein erster Meilenstein auf dem Weg zum Saisonhöhepunkt, den Weltmeisterschaften in Manchester vom 31. Juli bis 6. August. Pressemitteilung des DBS vom 13. März 2023

Foto: © HenschelMedia / DBS

Maurice Wetekam, der bei der WM im vergangenen Jahr auf Madeira sensationell zu Silber über die 100 Meter Brust (SB9) schwamm, sicherte sich in seiner Paradedisziplin Platz eins im Youth Final und wurde Zweiter über die 200 Meter Lagen. Bei den Wettkämpfen der World Series werden alle Startklassen zusammen gewertet (Multi-Class-Finals) und die Platzierungen nach einem Punktesystem festgelegt. Insgesamt sechs deutsche Para Schwimmer*innen waren an der italienischen Adria-Küste mit dabei. Neben dem international bereits erfahrenen Wetekam stand in Fabian Brune (SV Bayer Wuppertal) auch ein Paralympics-Teilnehmer von Tokio mit im Aufgebot. Cosima Reinicke, Janek Bäsler (beide Berliner Schwimmteam), Carl-Frederick Droste (Düsseldorfer SC 1898) und der erst 14 Jahre alte Balint Köszegvary (SC-Delphin Lübeck) komplettierten das junge deutsche Team.

„Der Weg zu Spitze ist weit, hart und nur mit Fleiß zu erreichen“
 
„Wir hatten endlich wieder internationales Wettkampf-Feeling. Es ist sehr wichtig, Erfahrungen zu sammeln und wieder an solchen internationalen Vergleichen teilzunehmen. Die Abläufe müssen geübt werden und die Athlet*innen müssen selbstbewusster und selbständiger werden“, betont Bundestrainerin Ute Schinkitz. Der Auftakt der World Series in Europa sei eine erste Standortbestimmung nach dem Winter-Training gewesen, denn: „Schwimmer werden ja bekanntlich im Winter gemacht.“ Die Erkenntnis der Bundestrainerin in Lignano: „Der Weg zu Spitze ist weit, hart und nur mit Fleiß zu erreichen. Egal, ob ich schon mal eine Medaille gewonnen habe oder sie gewinnen möchte.“ Die deutsche Nachwuchsdecke sei leider sehr dünn. „Daher müssen wir versuchen, aus jedem, der regelmäßig schwimmt, das Maximale herauszuholen.“
 
Schinkitz hat zudem bereits den Sommer im Kopf, wenn der Saisonhöhepunkt der Para Schwimmer*innen ansteht: die Weltmeisterschaften in Manchester vom 31. Juli bis zum 6. August. „Mir geht es auch darum, dass sich die Sportler*innen, die bereits letztes Jahr auf Madeira eine WM-Medaille gewonnen haben, nochmals steigern beziehungsweise ihre Leistung bestätigen. Ein Jahr vor den Paralympics wird das Niveau deutlich höher sein als 2022“, weiß die Bundestrainerin. Der Mindest-Qualifikationsstandard (MQS) für die Paralympics in Paris 2024 sollte laut Schinkitz bereits in diesem Jahr von vielen ihrer Athlet*innen geschwommen werden. „Der ist nochmal deutlich höher als für die WM.“ Das spiele auch hinsichtlich der Anzahl der Startplätze für die Paralympics eine wichtige Rolle. Auch diejenigen, die 2022 auf Madeira im WM-Finale waren und dort beispielsweise Achter wurden, „müssen sich nochmal strecken.“
 
Sorgenfalten bei Taliso Engel, „größte Bewunderung“ für Elena Semechin
 
Nicht einfach wird der Weg zur WM auch für Taliso Engel, dem Paralympics-Sieger über die 100 Meter Brust (SB13) von Tokio, der zudem 2019 und 2022 WM-Gold über die gleiche Distanz gewann: Nach einer Mittelohrentzündung samt Riss des Trommelfells im rechten Ohr ist der 20-Jährige vor kurzem wieder ins Training eingestiegen. „Er kann trainieren, aber er hört aktuell noch nichts auf seinem Ohr. Beim Schwimmen beeinträchtig es ihn momentan nicht, er macht sich aber viele Gedanken, weil er nicht auf seine Trainingskilometer kommt“, berichtet Schinkitz. Wegen seiner Abitur-Prüfungen musste Engel bereits 2022 im Training etwas zurückstecken, dennoch sicherte er sich auf Madeira die Goldmedaille.
 
Knapp an Gold schrammte damals Elena Semechin vorbei, die trotz ihrer kräftezehrenden Chemotherapie und Bestrahlung wegen eines Hirntumors in der Therapie-freien Zeit trainierte. „Dafür hat sie meine größte Bewunderung und meinen größten Respekt“, sagt Schinkitz über die Paralympics-Siegerin von Tokio, die den Krebs vorerst besiegt hat. Noch sei Semechin nicht in Top-Form, „aber Elena ist mehr als fleißig – so wie wir sie kennen. Sie geht das alles sehr diszipliniert und bewusst an und es ist einfach toll, das zu beobachten. Ich bin sehr dankbar, dass es ihr gut geht und sie noch schwimmt“, betont die Bundestrainerin.
 
Bereits am Donnerstag steht die nächste Etappe der Para Swimming World Series in Sheffield (England) an. Die wichtigste Standortbestimmung des deutschen Teams, das auch in diesem Jahr wieder bei den Finals (6. bis 9. Juli) vertreten ist, werden auf dem Weg zur WM die internationalen deutschen Meisterschaften in Berlin vom 11. bis 14. Mai sein: Es ist die letzte Qualifikationsmöglichkeit für die Weltmeisterschaften in Manchester. Wichtig wird es laut Schinkitz sein, immer weiter fleißig zu arbeiten – denn: „Die Konkurrenz schläft nicht, sie trainiert.“
 
Text: Patrick Dirrigl / DBS