Kolumne "Geistreich": Was ein Zirkus!

Hier erzählt unser (Un-)Ruheständler Andreas Geist über seine Eindrücke aus dem Leben eines Rentners.

© BRSNW

Was für ein Zirkus!

Der Definition nach bin ich Republikaner. Jetzt nicht so ein verpeilter wie Donald Trump oder viele seiner Kollegen in Amerika, sondern das Gegenstück zu einem Monarchisten oder Royalisten. Einer , der es gut findet, wenn die Macht im Staat vom Volk ausgeht, wie es in einer legitimen, demokratischen Republik sein soll. "Volksrepubliken" wie in China oder Nordkorea oder gar die Islamische Republik im Iran lassen wir mal außer Betracht. Es soll hier ja auch gar nicht um Politik gehen, sondern um mein Unverständnis, welcher Zirkus und Hype um manche Dinge und um Banalitäten gemacht wird. 
In den letzten Wochen und Monaten habe ich mich gefragt, ob es auf dieser Welt gerade nicht viel wichtigere Themen gibt als den Zank und Streit im britischen Königshaus, der nach dem Tod der Queen noch einmal richtig Fahrt aufgenommen hat. Ich gebe zu, dass mich die Königshäuser und Fürstentümer von Skandinavien über Monaco bis Spanien nicht im Geringsten interessieren. Aber man hat derzeit keine Chance dem Adel zu entgehen. Nicht allein in der Regenbogenpresse, sondern in allen Medien gibt es ein allgegenwärtiges Thema: Die Schmutzwäsche der Windsors!
Auf "Spiegel online", einer (aus meiner Sicht) Internetseite mit einem gewissen Qualitätsanspruch, habe ich in die Suchfunktion "Prinz Harry" eingegeben. Das Ergebnis waren 1876 Treffer. Sicherlich sind dabei auch viele uralte Texte, aber das Meiste scheint aktuell zu sein. "Hofverrat", Eifersucht, Prügeleien zwischen Brüdern, Camilla als "böse Stiefmutter" (gab es da nicht auch mal ein deutsches Märchen???), Kokainkonsum, Hakenkreuzbinde als Karnevalskostüm und natürlich die alles überragende Frage: Ist König Charles überhaupt der Vater von Harry oder war es doch der Reitlehrer?

Gut, ich habe mich dazu bekannt ein Anhänger der Demokratie zu sein und da soll jeder lesen, gucken, sagen oder schreiben, was ihm gefällt und was ihn glücklich macht. Für mich ist der Zirkus um die Adelshäuser jedoch nicht rational zu erklären, zumal der teilweise immense und nicht immer ehrenhaft erworbene Reichtum der Königshäuser und Adelsfamilien nicht vom Himmel gefallen ist. Für deren Paläste, Schlösser und Burgen sind die einfachen Leute geknechtet worden, wurden andere Völker unterjocht und Kolonien ausgebeutet. OK, das ist heute noch ähnlich, aber es profitieren nicht mehr die "Von und Zu" Adeligen, sondern der "Geldadel" und große Wirtschaftsunternehmen. So gesehen hat die Abschaffung der Monarchie nicht viel gebracht.

Schon als Kind bin ich lieber nach draußen spielen gegangen als mir den "Sissi und Franz" Firlefanz im Fernsehen anzugucken. Weshalb Leute heute noch von Geburten von Prinzen und Prinzessinnen fasziniert sind, royale Hochzeiten, Krönungen oder auch Beisetzungen im Fernsehen verfolgen, bleibt mir verschlossen. Vielleicht lasse ich es mir einmal von einer "Adelsexpertin" erklären. Davon gibt es bei deutschen Fernsehsendern mehrere. Als Journalist wäre es mir allerdings peinlich, wenn das als eine besondere Qualifikation von mir gelten würde.

Einmal, das muss ich an dieser Stelle zugeben, war sogar ich vom royalen Zirkus begeistert. Als Königin Beatrix der Niederlande zum Staatsbesuch am Schloss Bellevue erwartet wurde aber Hape Kerkeling aus der Limousine stieg. Herrlich!

Ein gutes Jahr 2023 wünscht Ihnen
Andreas Geist