Kolumne "Geistreich": Was ein Sommer

Hier erzählt unser (Un-)Ruheständler Andreas Geist über seine Eindrücke aus dem Leben eines Rentners.

Was für ein Sommer!

Ich kann nichts dafür! Davon bin ich jetzt überzeugt. Es liegt ganz sicher nur an diesem außergewöhnlichen Sommer mit extrem viel Sonne und Wärme. Das habe ich jetzt gelesen. Aber der Reihe nach. Die Ausgangslage ist die, dass ich seit dem Frühjahr zwei Kilo zugenommen habe und das, obwohl ich (dachte ich zumindest) schon sehr darauf achte, was und wie viel ich esse und trinke. Auch bin ich viel draußen unterwegs und bewege mich genug. Jeden zweiten Tag walke ich früh morgens im Sauseschritt eine Runde um die hiesige Südsee. Immerhin 7 km. Mit meinem neuen Fahrrad bin ich in fünf Monaten über zweitausend Kilometer gefahren und wenn es etwas ruhiger zugehen soll, gehe ich mit einem Freund segeln.
Die Krux an der Sache: Alles findet draußen an der Sonne statt und das ist für Männer gefährlich! Nicht wegen eines möglichen Sonnenbrands oder -stichs oder gar drohendem Hautkrebs. Dagegen schützt man sich ja mit entsprechender Kleidung, Kopfbedeckung und Sonnencreme. Aber gegen diesen Hunger kommt man(n) nicht an! Die Gründe dafür sind jetzt von Forschern aus Israel entdeckt worden, wo ja bekanntlich auch viel die Sonne scheint.
"Sonnenlicht macht Männer hungrig!" ist der Artikel überschrieben. 3000 männliche Probanden und unzählige Labormäuse haben an einer dreijährigen Studie teilgenommen und das Ergebnis beweist meine Unschuld. Schon nach 30 Minuten in der Sonne steigt der Spiegel des Hormons Ghrelin im Blut an. Das kennen Sie nicht? Ich habe es auch gegoogelt und mich dabei vertippt. Das Suchergebnis verwies auf kleine Monster aus einer Horrorkomödie der 80er Jahre, die Gremlins. Die meinte ich nicht und mit Horror hat das Hormon Ghrelin, das erst 1999 entdeckt wurde, definitiv nichts zu tun. Zwar regt es den Appetit an und wird daher mit Übergewicht in Verbindung gebracht, aber es ist auch an einer ganzen Menge nützlicher anderer Prozesse im Körper beteiligt.

Seit ich diesen Zusammenhang kenne, sind mir einige meiner Verhaltensweisen klarer geworden. Schon als Kind hatte ich beim Schwimmen und (Sonnen-)Baden im Freibad immer einen Mordskohldampf und der mitgebrachte Proviant war schnell aufgebraucht. Heute verspüre ich regelmäßig beim Fahrradfahren an einem sonnigen Tag den Drang, in einen netten Biergarten einzukehren und eine Kleinigkeit zu mir zu nehmen. Notfalls auch Kaffee und Kuchen. Das ist eindeutig auch auf den Ghrelin-Spiegel im Blut zurück zu führen! Die männlichen Leser unter Ihnen werden mir beipflichten. Ich bin sicher, dass auch Sie den brennenden Wunsch kennen, nach einem warmen, sonnigen Tag den Grill anzuheizen und Würstchen, Koteletts oder ein saftiges Steak über der Glut zu garen. Mmmh! Sehr deutlich wird mir der Zusammenhang von Hunger und Appetit immer beim Segeln oder besser nach dem Segeln. Da sitzen mein Freund und ich gerne noch auf dem Boot in der Sonne (wir sind Schönwettersegler!), trinken ein alkoholfreies Bierchen und essen ein Häppchen. Matjesbrötchen, Frikadellen, aber auch mal ein süßes Teilchen stehen hoch im Kurs. Das muss einfach sein, da kann man(n) sich nicht gegen wehren.

Wenn ich es recht überlege, bin ich mit den zwei Kilos noch recht gut bedient. Eigentlich sind die ja die direkten Folgen des Klimawandels, der diesen Sommer so extrem viel Sonne und Wärme gebracht hat. Gut, dass es jetzt Herbst wird, da ist das Verlangen nach Grillfleisch nicht mehr so heftig. Abmagern werde ich wohl trotzdem nicht. Ich habe nämlich das Gefühl, die Lampe in meinem Backofen wirkt bei mir wie Sonnenlicht.

Herzlich grüßt

Andreas Geist