Kolumne "Geistreich": Entwicklungen

Hier erzählt unser (Un-)Ruheständler Andreas Geist über seine Eindrücke aus dem Leben eines Rentners.

Liegt es an meinem Alter oder haben Sie auch manchmal den Eindruck, dass sich in unserer jetzigen Welt alles rapide verändert? So eine Art Wertewandel scheint stattzufinden. Politische und soziale Systeme, die der Gemeinschaft dienen sollen und in denen Freiheit, Solidarität und das Wohlergehen aller Tenor sein sollten verlieren die Richtung. Manchmal habe ich den Eindruck, dass gezielt und rücksichtslos Umbrüche herbeigeführt werden, die nur wenigen Menschen Vorteile bescheren. Es ist nur so ein allgemeiner Eindruck. Fakt ist: Man kann nicht mehr erwarten, dass Bewährtes auch fortbestehen oder sich sogar weiter entwickeln wird.

Wenn es die Möglichkeit gibt sich zu profilieren, Klicks und Likes zu sammeln, sich Vorteile zu sichern und Geld zu verdienen, gehen vielfach traditionelle Werte, Ethik, sogar Menschen- und Völkerrecht den Bach runter.
Nur zur Vermeidung von Missverständnissen: Für mich ist es völlig okay, sogar notwendig, Dinge in Frage zu stellen und zu prüfen, was sich wie entwickelt. Zu sehen, was die Wissenschaft – quer durch alle Fachgebiete – an neuen Erkenntnissen gewonnen hat und welche Verbesserungspotentiale sich für die Menschen und den Planeten, auf dem sie leben, daraus ergeben. Das ist wichtig, denn nur so ist Entwicklung – ich meine die zum Positiven – möglich und bringt dem einzelnen Menschen, aber auch der gesamten Gesellschaft Vorteile.

Eines der traurigsten Beispiele für diese Umbrüche ist für mich das drohende Ende der amerikanischen Demokratie. In seiner ersten Amtszeit habe ich Donald Trump noch als Clown bezeichnet. Jetzt ist er der Zirkusdirektor und führt Regie in einer weltweit spielenden Horrorshow mit dem Titel „America first“. Wobei „America“ wohl eher den Trump-Clan meint. Tipp: Geben Sie mal in eine Suchmaschine „Trump Vermögen verdoppelt“ ein. Aber stellen Sie sicher, dass der Weg ins Bad nicht verstellt ist. Ihnen wird mit Sicherheit speiübel werden.

Aber das ist schon wieder viel zu politisch und ich will ja über das Leben eines Rentners mit Wurzeln im Sport berichten. Aber auch da gibt es natürlich viele bemerkenswerte und zum Großteil positive Entwicklungen. Eine findet gerade im Frauenfußball statt. Ich gucke derzeit gerne die Spiele der deutschen Frauennationalmannschaft bei der EM in der Schweiz. Da wird begeisternder, ehrlicher Sport gezeigt. Natürlich, es hat (viel zu) lange gedauert, bis Frauen überhaupt unter dem Dach des DFB spielen durften. Dann war es noch ein langer Weg von der Siegprämie „Kaffeeservice“ bei der EM im Jahr 1989 zu einer angemessenen Anerkennung der erbrachten Leistung. Gut Ding braucht Weile, uralter Spruch, aber mit viel Wahrheitsgehalt. Auch die Entwicklung des Behindertensports von den bemitleideten „Krüppeln“ der Nachkriegszeit zum internationalen Spitzensport und zum Mittel der Rehabilitation und als Weg zu Inklusion und Gleichberechtigung ist so eine positive Entwicklung. Möglich wurde die, weil es Werte in der Gesellschaft gab, die nicht in Frage gestellt wurden und an denen sich ein großer Teil der Bevölkerung orientierte. Nicht allein der eigene Vorteil, sondern das Wohl aller waren es wert dafür zu kämpfen.
Und damit komme ich wieder zurück zu den Aussagen in der Einleitung. Werte gehen über Bord und der eigene Vorteil und Nutzen wandert vielfach in den Vordergrund. Das gab es immer, z.B. im Sport beim Doping und bei jeder Form von Vorteilsnahme und Korruption. Aber derzeit treibt es besondere Blüten.
So sollen im Mai 2026 in Las Vegas die „Enhanced Games“ ausgetragen werden, was so viel bedeutet wie „optimierte“ oder „fortgeschrittene“ Spiele. Das Besondere daran sind nicht die Sportarten, das sind traditionelle Wettkämpfe im Schwimmen, Gewichtheben und in der Leichtathletik. Einziger Unterschied: Es darf gedopt werden! Kontrollen finden nicht statt. Es winken Siegprämien von bis zu 500.000 US-Dollar und im 100m Sprint sogar bis zu einer Million. Ahnen Sie, was ich eingangs meinte? Kommerz, Geld scheffeln… Schade um den Sport, aber das, was da gezeigt wird, wird sich hervorragend vermarkten lassen, auch wenn es den Einen oder den Anderen die Gesundheit kosten wird.
Da pfeife ich auf jede Art von Fortschritt und hoffe, dass das Traditionelle und Bewährte noch lange Bestand hat. „Unsere“ Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Spiele in Rhein-Ruhr 2036/2040 könnte so etwas sein. Traditionell mit dem hoffentlich erfolgreichen Versuch sauberen und ehrlichen Sport zu präsentieren und ohne irgendwelchen Internationalen Komitees (Entschuldigung!!!) die Klobrille zu vergolden.
Wäre das was? Weg von den Irrwegen der Vergangenheit, hin zu nachhaltigen Spielen ohne vordergründig kommerzielle Ziele. Paralympics in NRW auch durch Mitwirkung unseres Verbandes. Das wäre ein bleibender Wert und eine sehr positive Entwicklung. Lassen Sie uns darüber nachdenken.

Genießen Sie den Sommer!

Ihr
Andreas Geist