Kolumne "Geistreich": Alles Bio!

Hier erzählt unser (Un-)Ruheständler Andreas Geist über seine Eindrücke aus dem Leben eines Rentners.

Alles Bio!

Bio liegt ja voll im Trend. Früher gab es Lebensmittel und Gemüse aus ökologisch korrektem Anbau nur im Reformhaus, in speziellen Bio-Läden oder direkt auf einem Bio-Bauernhof. Oft hatte man allerdings den Eindruck als wären nicht mehr ganz taufrische Waren nur neu etikettiert worden, um diese noch an Ökofreaks verkaufen zu können, die damals schon lieber mit Jutesäckchen statt Plastiktüte einkauften. Wie recht sie damit hatten, sieht man heute am Mikroplastik überall in der Umwelt und in den Nahrungsketten.

Das mit den leicht gammeligen Waren hat sich Gott sei Dank gründlich geändert. Heute findet man Bio-Produkte bei jedem Discounter und in jedem Supermarkt. Das Sortiment wächst kontinuierlich: Obst, Gemüse, Eier, Milch(-produkte), Mehl, Öl (wenn nicht gerade ausverkauft) - alles Bio!!!
Auch Fleisch in Bio-Qualität und aus artgerechter Haltung gibt es da. Wer es sich leisten kann, greift da gerne zu. Das ist begrüßenswert und trägt sicherlich dazu bei unsere Umwelt ein bisschen weniger zu belasten und den Tieren, die wir schlachten und essen wollen, zumindest ein erträgliches, artgerechtes Leben zu ermöglichen.

Auch in anderen Bereichen liegt es im Trend Dinge mit den Prädikaten "umweltfreundlich" oder "Bio" herzustellen und zu verkaufen. Bio-Plastik zum Beispiel. Da musste ich aber lernen, dass das derzeit noch keine Alternative ist und der Umwelt nicht wirklich hilft. Man kann es zwar aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen, aber an der Wiederverwertung oder dem Kompostieren scheitert die Idee dann doch noch.
Erstaunt war ich, als ich auf Bio-Toilettenpapier stieß, das besonders für Camper geeignet sein soll. Da ich nicht erst seit dem Rentenalter gerne mit meinem kleinen Wohnmobil unterwegs bin, weckte das natürlich mein Interesse, was ich dann aber schnell wieder verloren habe. Denn es löst sich von selbst auf und den Moment, in dem ich es benötige und erkennen muss, dass es langsam wie die Uhren von Salvador Dali vom Halter fließt, möchte ich nicht erleben müssen. Dann doch lieber das bewährte Recycling-Papier. Das übrigens in anderen Formaten gerne auch als Hand- und Taschentuch, Küchenrolle oder Notizblock zum Einsatz kommt. Inzwischen soll es sogar auch als Druckerpapier zu gebrauchen sein, las ich beim Bundesministerium für Umwelt und Naturschutz. Daraufhin habe ich dann nachgeforscht, ob denn auch Bio-Tinte für Drucker existiert. Und ja, auch die habe ich gefunden, wenn auch mit einem gänzlich anderen Verwendungszweck als Papier zu bedrucken.
Aus Bio-Tinten, die im 3-D Druck verwendet werden, können Forschende inzwischen "Ersatzteile" für den menschlichen Körper drucken. Eine Ohrmuschel zum Beispiel, die für eine junge Frau in Amerika gedruckt wurde. Aus körpereigenen Zellen, Knorpel und anderen Bestandteilen wurde eine Bio-Tinte gemischt, die sich im 3-D-Drucker  verarbeiten ließ. Das Ohr ist gut angewachsen und sieht ziemlich normal aus. An anderen Einsatzmöglichkeiten wie Bandscheiben, Menisken usw. wird geforscht. Doch das ist noch nicht alles. Das Fraunhofer-Institut forscht an den Möglichkeiten des Bioprinting. Dabei geht es darum, biologisches Gewebe im Labor herzustellen. Diese Gewebe könnten dann dazu dienen Medikamente und andere (Wirk-)Stoffe zu testen und Tierversuche überflüssig zu machen. Vielleicht auch um in Zukunft ganze Organe herzustellen oder geschädigtes Gewebe zu ersetzen, was die Situation bei den Organspenden entschärfen würde.
Bio ist eben in, nicht nur in der Landwirtschaft und beim Essen, auch in der Forschung.

So, jetzt nutze ich das derzeit schöne Wetter und topfe meine Balkonkräuter um. Die kommen natürlich  - da zum Verzehr gezogen -  nur in Bio-Kräutererde und werden mit Biodünger zum Wachsen angeregt. Alles "Bio" bei mir! Nur daran, die Plastiktöpfe durch Terrakotta zu ersetzen, muss ich noch arbeiten.

Einen schönen Sommer wünscht Ihnen

Andreas Geist