Kolumne "Geistreich": Stinknormal?

Hier erzählt unser (Un-)Ruheständler Andreas Geist über seine Eindrücke aus dem Leben eines Rentners.

Stinknormal?

Irgendwie verfolgt mich diese Werbung. Wenn ich abends den Fernseher einschalte, um die Nachrichten zu sehen, erscheint garantiert dieser Werbesport zum Fremdschämen. Sicherlich kennen Sie die Werbung auch, in der erwachsene Menschen verschiedener Altersklassen und beiderlei Geschlechts über ihre Darmprobleme berichten und wie hervorragend ihnen das Wundermittel Kitschidingsbums aus der Apotheke geholfen hat. Furchtbar. Früher waren Kinder mit dabei, die dann ein bisschen rumgekichert haben und sagen durften, dass Papa ständig gepupst hat. Aktuell sind Haustiere mit im Bild, die bestimmt sofort flüchten würden, wäre das Mittel nicht so gut wirksam. Offenbar will die Reklame uns suggerieren, dass der Papagei ohne Kitschidingsbums schon lange tot von der Stange gefallen wäre. Aber so sind alle wohlauf, der pharmazeutischen Industrie sei Dank!

Natürlich sind Darmprobleme und Blähungen für betroffene Menschen ein wichtiges, wenn auch etwas anrüchiges Thema. Jeder muss es, jeder tut es, aber in der Öffentlichkeit diskutiert werden braucht das nicht. Das ist jedenfalls meine Ansicht. Neuerdings scheint es jedoch salonfähig zu werden, sich mit Darmwinden, die übrigens zum größten Teil aus extrem klimaschädlichem Methangas bestehen, zu beschäftigen und darüber zu reden. Nicht nur in den unsäglichen Werbespots, sondern sogar in seriösen Beiträgen im öffentlich rechtlichen Rundfunk wird eine Art Furzforschung betrieben. Der Sender Deutschlandfunknova brachte vor einiger Zeit einen Podcast zum Tag der Flatulenz am 5. Februar. Den gibt es offenbar wirklich. Stinknormal? Vielleicht sehe ich das auch zu verkniffen, aber ich will davon nichts hören und riechen schon gar nicht.

Richtig und gut ist allerdings, dass sich die medizinische Forschung verstärkt dem Thema Darmgesundheit widmet. Schon länger sind Forscher dem Zusammenhang von psychischen und neurologischen Erkrankungen und Darmproblemen auf der Spur. Dass auch das Immunsystem vom Darm beeinflusst wird, haben die Forscher auch schon heraus gefunden. Aber sparen Sie sich eine Google-Suche zu diesem Thema, die führt in erster Linie zu Präparaten wie Kitschidingsbums.
Sehr interessant fand ich die Bemühungen der Forschung herauszufinden, wie die Darmflora die sportliche Leistungsfähigkeit beeinflussen kann. Bestimmte Bakterien, etwa Veillonella, sind in der Lage Laktat zu verstoffwechseln und daraus Energie zu gewinnen. Das führt in bestimmten Kreisen bereits zu Überlegungen, ob sich daraus vielleicht neue Dopingmethoden ergeben könnten. Ich habe es eingangs ja gesagt: Ein anrüchiges Thema!

Man stelle sich nur vor, dass es nicht um die energetische Nutzung von Laktat gehen würde, sondern um eine verstärkte Methanproduktion durch Bakterien! Schwimmer treiben wie Korken auf dem Wasser und bieten kaum noch Wasserwiderstand. Sprinter könnten den Turbo zünden und bekommen reichlich Rückenwind. Pech für die, die im Rennen schon zurück liegen.

Wenn der Sport weltweit dann auf diesen Zug aufspringt sehe ich schwarz für das Klima. Dann sind es nicht nur die tierischen Rindviecher, die die Atmosphäre mit Methan verpesten, sondern auch die menschlichen.

So gesehen leisten die Nutzer von Kitschidingsbums eigentlich einen Beitrag zum Klimaschutz - keine Blähungen mehr! Ich muss meine Einstellung dazu mal überdenken.

Mit einem Augenzwinkern  und einem Zitat* von Martin Luther

grüßt

Andreas Geist
 

*"Aus einem traurigen Arsch fährt nie ein fröhlicher Furz"