10 Jahre UN-BRK: Im Gespräch mit Walter Schneeloch

Der LSB-Präsident gibt in einem Interview einen kurzen Rückblick auf das 10-jährige Jubiläum der UN-Behindertenrechtskonvention.

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) wurde in Deutschland am 24. Februar 2009 ratifiziert. Darin wurden die bislang existierenden Menschenrechtsabkommen aus der Perspektive von Menschen mit Behinderung konkretisiert. Die UN-BRK stellt die Pflichten der Staaten heraus, die bestehenden Menschenrechte für alle Menschen vollumfänglich zu gewährleisten. Aufgabe aller Menschenrechtskonventionen ist das Empowerment der Menschen, indem die Rechte auf Selbstbestimmung, Diskriminierungsfreiheit und volle gleichberechtigte Teilhabe geltend gemacht und durchgesetzt werden. Menschen mit Behinderung werden als vollkommen gleichwertig angesehen und ihnen ist die Teilhabe an allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu ermöglichen.

Wir sprachen zum Auftakt der Interviewserie "10 Jahre UN-BRK" mit dem Präsidenten des Landessportbundes Nordrhein-Westfalen, Walter Schneeloch.


Sehr geehrter Herr Schneeloch,

10 Jahre UN-BRK - Welche Zwischenbilanz ziehen Sie aus sportlicher Sicht? Was hat sich in den zehn Jahren in Nordrhein-Westfalen getan?

Die UN-BRK hat dem Thema „Inklusion“ zweifelsohne Rückenwind gegeben. Sie hat maßgeblichen Anteil daran, dass die selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung – nicht nur aber auch – im Sport in den letzten Jahren auf der gesellschaftspolitischen Agenda nach oben gerutscht ist. Gleichwohl ist es noch ein langer Weg hin zu einer inklusiven Gesellschaft.

Wo genau sehen Sie Fortschritte? Was hat der LSB in Zusammenarbeit mit seinen Fachverbänden auf den Weg bringen können?

In unserem Modellprojekt „Sport und Inklusion im Verein“ (2013-2015) haben wir – gemeinsam mit dem BRSNW und unterstützt durch die Landesregierung – wertvolle Erkenntnisse sammeln können, wie Inklusion im Verein konkret gestaltet und gelebt werden kann. Diese Praxiserfahrungen waren u.a. eine wichtige Grundlage dafür, dass wir seit 2016 „Inklusion“ als einen Förderschwerpunkt im Landesprogramm 1000x1000 aufgenommen haben. Auf diesem Weg konnten bislang rund 750 inklusive Projekte von Sportvereinen in NRW gefördert werden. Aus verbandspolitischer Perspektive haben wir zudem mit unserem Positionspapier „Sport und Inklusion: Vielfalt im Sport gestalten – gleichberechtigte Teilhabe fördern“ einen Orientierungsrahmen für das Sportland NRW geschaffen, das Thema im „Kompetenzzentrum für Integration und Inklusion im Sport“ fest verankert und als ein Handlungsfeld in der Zielvereinbarung „Nr. 1: Sportland NRW“ aufgenommen.

Wo sehen Sie den größten Nachholbedarf?

Wenngleich Inklusion in vielen Sportvereinen in NRW bereits gelebter Alltag ist – und das zum Teil bereits lange bevor der Begriff „Inklusion“ salonfähig wurde – sind wir von einer Flächendeckung noch weit entfernt. Hierzu braucht es konkrete Maßnahmen und Unterstützungsmöglichkeiten, um Inklusion in noch mehr Sportvereinen in NRW gelingen zu lassen.

Wie kann man Schwierigkeiten überwinden?

Die Landesregierung hat in ihrer Koalitionsvereinbarung die Entwicklung eines „Landesaktionsplans Sport und Inklusion“ verankert. In diesen Aktionsplan, in dessen Entwicklung u.a. der LSB NRW, die Behindertensportverbände, im Themenfeld aktive Vereine und weitere Partner intensiv eingebunden sind, setzen wir große Hoffnung. Entlang von sechs Handlungsfeldern werden hier konkrete Maßnahmen zur Förderung der Inklusion im Sport in NRW abgeleitet und bis 2022 umgesetzt.

Was kann der Sport insgesamt durch Inklusion leisten?

Sport ist wie kaum ein anderer Gesellschaftsbereich gerade ideal dazu geeignet, Menschen miteinander in Kontakt zu bringen. Getreu dem Motto „Sport für alle“ betrifft das nicht nur aber insbesondere auch Menschen mit Behinderungen. Der Sport hat gerade im Kontext des hohen Aufkommens an Geflüchteten in den letzten Jahren unter Beweis gestellt, dass er ein Integrationsmotor sein kann. Gleiches gilt für den Bereich der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Auch hier sehe ich das Potential des Sports, als Inklusionsmotor wirken zu können.

Wie können Vereine von der Inklusion profitieren?

Sportvereine untermauern mit ihrem Engagement im Bereich der Inklusion zweifelsohne ihren Anspruch, als relevanter gesellschaftlicher Akteur das Gemeinwohl in ihren Sozialräumen mitzugestalten. Daneben können sie aus einer eher funktionalistischen Perspektive aber durch das Erschließen neuer Zielgruppen natürlich auch neue Mitglieder und Mitarbeiter/-innen gewinnen. Insbesondere im Bereich des ehrenamtlichen Engagements von Menschen mit Behinderungen im Sport sehe ich durchaus ein noch nicht ausgeschöpftes Potential, von dem die Sportvereine nachhaltig profitieren können.

Wenn wir in die Zukunft blicken: Was wünschen Sie sich zum 20-jährigen Jubiläum der UN-BRK?

Wünschenswert wäre sicherlich, dass wir nicht mehr über Inklusion reden, sondern in einer inklusiven Gesellschaft leben, in der jede und jeder im Rahmen seiner individuellen Möglichkeiten selbstbestimmt und gleichberechtigt teilhaben kann. Dafür wird es aber einen langen Atem brauchen, so dass dieser Wunsch zum 20. Jubiläum der UN-BRK vermutlich noch etwas zu früh kommen dürfte.

LSB-Präsident Walter Schneeloch (r.) hier im Gespräch mit dem BRSNW-Vorsitzenden Reinhard Schneider (l.) Foto: Ralf Kuckuck, DBS-Akademie