Kolumne "Geistreich": Künstliche Intelligenz

Ältere Menschen werden vergesslicher. Das merke ich auch an mir selbst. Ein Beispiel: Heute war mir nach etwas Leckerem zum Abendessen und ich habe mir im Kopf die Rezepte und dazugehörige Einkaufsliste zusammengestellt. Weißen und grünen Spargel, Erdbeeren, Rucola und Parmesankäse für den Spargel-Erdbeer Salat, ein mageres Schweineschnitzel, neue Kartoffeln, eine Flasche trockenen Riesling...

© Andreas Geist

Normalerweise mache ich mir für die paar Sachen keinen Einkaufszettel und habe trotzdem alles, was ich zum Kochen und Genießen brauche, in meinem Einkaufkorb, wenn ich den Supermarkt verlasse. Aber heute musste ich noch einmal die Schuhe anziehen. Ohne Eier kann man kein Schnitzel panieren. Das wäre mir früher nicht passiert und ich habe mich gefragt, ob ein schlechteres Gedächtnis möglicherweise der Beginn von Intelligenzverlust ist. Es hat mich nur wenig beruhigt als ich beim Recherchieren auf einen Text in der "Zeit" gestoßen bin. Danach gibt es eine fluide Intelligenz, die z.B. Kinder schnell lernen lasst. Die nimmt jedoch ab einem Lebensalter von ca. 25 Jahren ab. Dafür entwickelt sich die kristalline Intelligenz weiter. Sie bestimmt z.B. das verbale Ausdrucksvermögen, das Fachwissen und die soziale Kompetenz. Bei manchen Menschen nimmt sie sogar auch im Alter noch zu und zeigt sich in Wissen, Erfahrung und Weisheit. Allerdings kann auch die kristalline Intelligenz ab einem Alter von 60 bis 70 abnehmen. Ich befinde mich jetzt zwar in einem gefährlichen Alter, aber ich habe Hoffnung, dass es bei mir noch ein Weilchen dauert mit dem Abbau.

Andere, auch jüngere Mitbürger, sind da schon weiter. Beispiele liest man jeden Tag auf's Neue. Raser, die sich Autorennen liefern und andere gefährden oder sogar umbringen. "Fußballfans", die sich gegenseitig mit Pyrotechnik beschießen und sich prügeln. Ganz besonders weit scheint der Abbau bei jenen vorangeschritten zu sein, die Polizei und Rettungskräfte im Einsatz behindern oder sogar angreifen. Ähnlich verblödet erscheinen mir Leute, die mit ihren Autos die Autobahnen blockieren um Hochzeitsfotos zu machen. Die natürliche Intelligenz kann hier nur auf dem Rückzug sein, wie sonst soll man so etwas sonst erklären? Ich bin sicher, es geht bergab mit dem Volk der Dichter und Denker!

Daher habe ich es begrüßt, als ich kürzlich in den Abendnachrichten hörte, dass die Bundesregierung drei Milliarden Euro in die Entwicklung von künstlicher Intelligenz investieren will. Das ist eine Art von maschinellem Lernen. Durch bestimmte Algorithmen sollen Maschinen oder Roboter lernen, intelligente Entscheidungen zu treffen und relativ eigenständig Probleme lösen. Dabei orientiert man sich an den Entscheidungsstrukturen des Menschen und versucht diese nachzubilden. Bleibt zu hoffen, dass sich unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die richtigen Menschen aussuchen, um deren Entscheidungsstrukturen zu kopieren. Definitiv nicht geeignet sind einige Politiker. Nicht nur die, die die Welt gerade ins Chaos stürzen. Auch bei uns gibt es die. Zum Beispiel solche, die behaupten ein Tempolimit sei "gegen jeden Menschenverstand". Untauglich sind natürlich auch solche Leute, deren Verhalten oben beschrieben wurde.
Leider habe ich noch keine Idee, wie man in derartige Köpfe künstliche Intelligenz eintrichtern könnte. Ein Software-Update per USB-Kabel oder Bluetooth scheidet aus. Selbst wenn das ginge, wären die Rechen- und Speicherleistung in vielen Fällen wahrscheinlich zu gering, um intelligentes Problemlösen zu bewerkstelligen.

Intelligenz eintrichtern, das könnte die Lösung sein! Ich muss einmal nachlesen, wie die das im 16. oder 17. Jahrhundert mit dem Nürnberger Trichter gemacht haben.

Irgendwo in meinem Rentnerhaushalt muss ich auch noch einen Trichter haben. Hoffentlich finde ich den rechtzeitig, wenn es los geht mit den Abbauprozessen.

Nachdenklich grüßt

Andreas Geist