Kolumne "Geistreich": Frühjahrsputz

Hier erzählt unser (Un-)Ruheständler Andreas Geist über seine Eindrücke aus dem Leben eines Rentners.

Frühjahrsputz

Vorgestern, da war ein wolkenloser und sonniger Tag, hat unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Rede zur Lage in der Coronakrise im Fernsehen gehalten und den Ernst der Situation deutlich gemacht. Eigentlich wollte ich das Thema an dieser Stelle meiden, denn es wird ja pausenlos, quer durch alle Medien darüber berichtet, was Fachleute und diejenigen, die sich dafür halten, so sagen und schreiben. Da ich definitiv kein Fachmann in Sachen Virologie bin, halte ich mich daher bedeckt. Allerdings habe ich Grundkenntnisse eines hygienischen Verhaltens verinnerlicht und versuche mich daran zu halten. Dazu gehört ein akzeptables Maß an Sauberkeit in der Wohnung. Und natürlich Hände waschen (war sogar mal ein Thema dieser Kolumne), wenn man von draußen reinkommt, husten und nießen in die Ellenbogenbeuge usw., wie es jeder machen sollte, um Viren und Bazillen nicht in der Umwelt zu verteilen.
An besagtem sonnigen Morgen, an dem die Kanzlerin uns abends ins Gebet genommen hat, stand ich mit meinem Kaffeebecher in der Küche, um die ersten Sonnenstrahlen durch die Balkontüre zu genießen. Allerdings trübte die unmittelbare Erkenntnis, dass die Fenster dringend geputzt werden müssen, diesen morgendlichen Genuss.
Als Mann der Tat habe ich das sofort erledigt, noch vor dem Rasieren und Duschen. Zugegeben, nur die Fenster auf der Südseite der Wohnung. West und Nord haben noch Zeit, man(n) muss Prioritäten setzen.
Als ich dann frisch und parat gemacht aus dem Bad kam und mich dem zweiten Becher Kaffee widmen wollte, bekam ich einen Schock. Die frisch geputzten Fenster ließen jetzt ungehindert die inzwischen höher stehende Sonne durch und die strahlte die Front meiner Küche wie mit Scheinwerfen an. Sie ahnen mein Entsetzen! Flecken, Streifen, Fingerabdrücke, Spritzer. Die Glastüre des Backofens, das Ceranfeld, die Edelstahlblende der Spülmaschine - ich war froh, alleine zu sein und das vor fremden Augen verbergen zu können.
Ohne Zweifel, ganz dringend muss hier ein gründlicher Frühjahrsputz gemacht werden, denn offenbar war die Reinigung im Winter absolut unzureichend.
Zu meiner Verteidigung kann ich nur anführen, dass ich im Winter länger nicht daheim war und die Sonne zu der Zeit auch nicht so in die Wohnung scheint. Und ob jemand die Küche in meiner Abwesenheit benutzt hat, entzieht sich meiner Kenntnis, ist allerdings sehr unwahrscheinlich.
Als älterer Mensch muss man sich seine Kräfte natürlich einteilen und darf sich nicht überfordern. So zog ich die Gardienen vor und fasste den Entschluss, mit dem Putzen am nächsten Tag zu beginnen, wenn ich im Drogeriemarkt die passenden Reinigungsmittel gekauft hätte.
In dem durch die Gardine gedämpften Licht sah es auch gar nicht mehr so dramatisch aus und schließlich hatte ich ja mit den Südfenstern schon einen Beitrag zur häuslichen Sauberkeit an diesem Tag geleistet.
Abends dann sah ich die Ansprache der Kanzlerin. Abstand halten und Kontakt mit Personen und Gegenständen meiden, die Erreger und Keime tragen könnten, ist das Wichtigste in diesen Tagen. Und Vernunft, Weitsicht und strenge Hygiene sind gefragt, wenn man sicher durch die Krise kommen will, so meine Erkenntnis daraus.
Eigentlich achte ich sehr auf eine saubere Spüle, Arbeitsplatte, Schneidebretter, Messer usw., besonders wenn ich Geflügel zubereite. Von einem Messi-Haushalt bin ich ganz sicher weit entfernt. Ok, die Küchenfronten und die Fenster könnten ein bisschen mehr Aufmerksamkeit vertragen, zumindest wenn die Sonne scheint. Und das Staubtuch werde ich auch suchen.
Am folgenden Vormittag bin ich also voller Tatendrang zum Drogeriemarkt, um mich mit  Küchenreiniger und Desinfektionsmittel einzudecken. Denn ich gehöre in meinem Alter zur Risikogruppe hat Frau Merkel gesagt. Daher wollte ich mit den speziellen Mitteln putzen, sonst könnte mich doch noch die eine oder andere Bazille oder ein Virus anfallen.
Aber im Laden gab es nichts mehr. Leer gekauft, gehamstert, gebunkert - vermutlich von Leuten, bei denen ebenfalls die Sonne in die Küche scheint oder die auch die Ansprache gesehen haben.

Nun bin ich gezwungen den Frühjahrsputz noch ein bisschen zu verschieben. Da wir alle ja auch soziale Kontakte nach Möglichkeit meiden sollen, wird auch niemand zu Besuch kommen und morgens, wenn die Sonne scheint, meine Küche in Augenschein nehmen. Ich vermute, dass das auch noch ein paar Wochen so bleibt. Und Hände waschen ist jetzt ohnehin wichtiger als Frühjahrsputz und Wasserflecken weg zu polieren. Man muss Prioritäten setzen!

Bleiben Sie gesund!
 
Herzlich grüßt

Andreas Geist

 

P.S.: Inzwischen ist die Küche blitzeblank geputzt! Was soll man auch anderes machen, wenn man nicht vor die Türe gehen soll.