Kolumne "Geistreich": Fastenzeit

Hier erzählt unser (Un-)Ruheständler Andreas Geist über seine Eindrücke aus dem Leben eines Rentners.

Fastenzeit!

Ab Aschermittwoch wird gefastet. Das war in meiner frühen Jugend schon so und als katholisch erzogenes Kind habe ich mich gefragt, was sich die Erwachsenen dabei denken, wenn sie von uns Pänz verlangt haben, nach Karneval 40 Tage auf Süßes zu verzichten. All die schönen Kamelle, die mit großem Einsatz beim Rosenmontagszug gesammelt worden waren , einfach ignorieren und bis Ostern klebrig werden lassen? Schon damals habe ich am Sinn dieser religiös motivierten Regel gezweifelt und mich dieser heimlich widersetzt. Auch jetzt hat das Thema Fastenzeit wieder Konjunktur und viele gläubige Christen in unserem Kulturkreis fasten noch, auf Teufel komm raus - oder zumindest, um sich auf das nahende Osterfest vorzubereiten.
Deutlich mehr Menschen fasten jedoch aus gesundheitlichen Gründen. Viele wollen durch Verzicht einfach abnehmen, andere berichten von Glücksgefühlen, streben eine Reinigung von Körper, Geist und Seele an, fühlen sich aktiver und energiegeladener.
Dass das Fasten tatsächlich einen gesundheitlichen Nutzen haben kann, soll schon der griechische Arzt Hippokrates (460 - 375 vor Chr.) vertreten haben. Bis heute gilt der Arzt Dr. Buchinger als Pabst des Fastens. In den 1920er Jahren hat er sich der Erforschung der Wirkungen des (Heil-)Fastens verschrieben. Allerdings ist manches, was geschrieben und vor allem angepriesen wird, purer Humbug. Das Entschlacken oder Entgiften zum Beispiel. Es basiert auf der Annahme, dass sich im Körper und besonders im Darm giftige und ungesunde Stoffe ablagern, die von Zeit zu Zeit entfernt werden müssen. Quasi wie beim Auto, Partikelfilter freibrennen und ein Öl- und Filterwechsel. 
Sowas braucht der Körper natürlich nicht, denn unsere Organe leisten ganz hervorragende und gründliche Arbeit, sofern sie gesund sind und nicht überlastet werden. Das allerdings kann im Zeitraum Weihnachten, Neujahr und Karneval schon mal passieren und daher kann es nicht schaden, über eine Änderung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten einmal nachzudenken. Aber eine richtige Fastenkur nur mit Brühe und Säften? Also vom Extrem der Völlerei ins Extrem des Fastens? Wenn überhaupt ist das etwas für uns Rentner. Junge, moderne Menschen detoxen!
Das kommt von dem Wort "Detoxifikation" und bedeutet Entgiften. Dass Detox-Kuren Unsinn für diejenigen sind, die damit einen langfristigen gesundheitlichen Effekt erzielen wollen, ist nachgewiesen. Selbst das Abspecken funktioniert damit nicht langfristig. Untersuchungen zeigen, dass dadurch oft der gefürchtete Jojo-Effekt ausgelöst wird. Hochwirksam ist kurzzeitiges Detoxen nur für den Industriezweig, der sich mit 14-Tage-Saftkuren und anderen zweifelhaften Angeboten wie Pillen, Tropfen, Cremes und Nahrungsergänzungsmitteln dumm und dämlich verdient. Machen Sie sich den Spaß und geben Sie in die große Suchmaschine mit "G" mal "Detox Produkte" ein. Das Ergebnis umfasst 3.300.000 Ergebnisse ...
Dennoch kann eine Fasten- oder Detoxkur einen guten Einstieg in eine gesündere Lebens- und Ernährungsweise mit mehr Bewegung und bewusster Ernährung darstellen. Nur fallen Sie nicht auf die leeren Versprechungen über die Wirksamkeit dieser Produkte rein! Das bekommen Sie auch mit gesundem Menschenverstand und Motivation zu mehr Aktivität hin, da bin ich sicher.
Als Rentner bin ich da natürlich in einer deutlich besseren Startposition als der arbeitende Teil der Bevölkerung. Wenn ich allein die Zeit, die ich früher im Stau verbracht habe, in körperliche Aktivität umwidme, käme ich auf ein bis zwei Stunden täglich, was aber leider nur theoretisch gelingt.
Dennoch verzichte ich auf eine definierte Fastenzeit. Lieber über's Jahr verteilt mit Maß gelebt, als sich in einer vorgegebenen Zeit selbst kasteien.
Manche Menschen kommen da ja auf die kuriosesten Ideen. Weniger Fleisch, Alkohol, Nikotin kann jeder. Neueren Datums ist das Digitalfasten. Handy mal auslassen. Twitter und Facebook nicht aufrufen. Auch Begriffe Plastikfasten oder Autofasten für die Umwelt habe ich gefunden. Da müsste man mal nachrechnen, ob sich ein Saisonkennzeichen lohnt, wenn man den Wagen 40 Tage in der Garage lässt.
Wenn Sie ein Mensch sind, der sich für das Fasten begeistern kann, lassen Sie sich durch mich nicht davon abhalten. Aber seien Sie kritisch! Ich werde definitiv keine Smoothies trinken, sondern mich abwechslungsreich ernähren und Obst und Gemüse in fester Form zu mir nehmen. Natürlich werde ich auch sportlich aktiv sein und vielleicht den Kasten Kölsch im Keller eine Zeit lang in Ruhe lassen.

So ein bisschen Verzicht zu üben ist ja nicht schlecht. Und wenn man sich trotzdem was gönnen möchte gibt es eine attraktive Alternative: FASTENBIER!!!

 

Herzlich grüßt

Andreas Geist