Kolumne "Geistreich": Digitales

Hier erzählt unser (Un-)Ruheständler Andreas Geist über seine Eindrücke aus dem Leben eines Rentners.

Peinlichkeiten, die man selbst verursacht hat oder Fettnäpfchen in die man getreten ist, bleiben lange in Erinnerung. In meiner Jugend, ich kann beim besten Willen nicht mehr sagen wann, vermute aber mal so Ende der 60er Jahre, zeigte mir ein Mitschüler in Köln, wo ich aufgewachsen bin , seine neue digitale Armbanduhr. Er sagte auf Kölsch: "Luurens, ich han en dicke Taluhr". Statt Bewunderung über dieses technische Meisterwerk zu zeigen, hielt ich ihm meine analoge, von Hand aufzuziehende Uhr, die ich für sehr modern hielt, vor die Nase und sagte: "Un ich han en dünne Berguhr!" Wie peinlich. Das Wort "digital" hatte ich damals wohl noch nicht in meinem Wortschatz.

Inzwischen hat sich das natürlich geändert und ich glaube in Ansätzen durchschaut zu haben, wie digitale Systeme funktionieren: durch das binäre System aus Einsen und Nullen. Darauf bauen die heutige Computertechnik, elektronische Datenverarbeitung (EDV) und moderne elektronische Geräte auf und machen sie überhaupt möglich.
Das Analoge dagegen scheint langsam auszusterben. Sogar der Fernsehempfang ist inzwischen digital. (Wobei ich den Eindruck habe, dass seither die Nullen im Programm deutlich häufiger sind als die Einsen!). Auch meine ich gelesen zu haben, dass der analoge Radioempfang in Kürze eingestellt wird. Dann ist nur noch Rauschen im Äther und wir müssen aufs digitale (Web-)Radio umsteigen. Dann können wir auf WDR 4 wieder Oldies hören, die allerdings inzwischen digitalisiert worden sind. Das Rauschen, Knistern und Knacken der alten Vinylschallplatten ist dabei natürlich mit Hilfe der digitalen Computertechnik auf der Strecke geblieben.

Wie dem auch sei. Selbst als Rentner muss man mit der Zeit gehen und sich offen für neue Technologien und Techniken zeigen, wenn man in der heutigen Welt nicht als vergreister Depp dastehen will. Daher kommen selbst wir Senioren nicht mehr am Digitalen vorbei. Zugegeben, manchmal brauche ich ein bisschen Zeit um mich zurecht zu finden, wenn ich eine neue Internetseite öffne. Wenn ich aber dann herausgefunden habe, wie eine Anmeldung irgendwo funktioniert, wie ich etwas buchen, stornieren, bestellen, an- oder abmelden kann, dann bin auch ich nahe daran die neue digitale Welt zu preisen.
Beispiele sind die Möglichkeiten, die unser Verband hier geschaffen hat, etwa in der online-Übermittlung der Statistikdaten oder dem Anmeldeverfahren für Lehrgänge. Sogar das Anerkennungsverfahren ist jetzt online möglich. Ist doch Spitze oder?
Ja, das Digitale hat schon Vorteile, auch für Senioren. Es spart Wege und Zeit, vieles kann online erledigt werden und das schont auch die Umwelt.
Daher sind die Politik und die Wirtschaft ja auch inzwischen darauf erpicht, den Ausbau der Netze und der digitalen Datenverarbeitung voran zu treiben. Die Möglichkeiten sind schier unbegrenzt und wenn ich darüber nachdenke, was alles machbar wäre, dann geht die Phantasie mit mir durch.

So las ich kürzlich im "Startmenü",  einem Newsletter der Zeitschrift "Der Spiegel", dass es inzwischen Grabsteine mit QR-Codes gibt. Die scannt man mit dem Smartphone und erhält postwendend Informationen zu der verstorbenen Person. Vielleicht öffnet sich auch das Facebook-Profil des Verblichenen und er richtet posthum noch ein paar tröstende Worte an die Trauernden. Vielleicht macht er den Hinterbliebenen auch eine lange Nase, weil er sein Erspartes noch auf den Kopf gehauen hat im Alter und es nichts mehr zu erben gibt. Interessante Perspektiven tun sich auf durch die Digitalisierung. Im genannten Newsletter las ich auch, dass es in Japan ein Projekt gibt, bei dem demente Menschen einen QR-Code auf den Fingernagel geklebt bekommen. Findet sich dieser Mensch nicht mehr zurecht oder verläuft sich, scannt man den Code und erfährt, wer er ist und wo er hingehört. Bestimmt kann man dann die Standortkoordinaten an das entsprechende Altenheim übermitteln und es kommt ein selbstfahrender Rollstuhl oder Roboter, um die verloren gegangene Person abzuholen. Der digitalen Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Da kommt noch was auf uns zu, da bin ich sicher.

Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg. Viel sympathischer finde ich da die Variante, die Reinhard Mey in seinem Lied "Herr Fellmann, Bonsai und ich" erzählt. Denn trotz aller Digitalisierung und Automatisierung werden wir auch in Zukunft nicht ohne soziale Kontakte, menschliche Wärme und Hilfsbereitschaft auskommen. Hören Sie sich das Lied mal an auf YouTube, mir gefällt es!

Für das noch junge Neue Jahr wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute!

Ihr

Andreas Geist