Deutsche Erfolge bei 2. ID-Judo Europameisterschaft in Köln

Das Bundesleistungszentrum des Deutschen Judo-Bundes und die ASV-Sporthalle in Köln waren Austragungsorte der zweiten Judo-Europameisterschaft für Menschen mit einer geistigen Behinderung. Damit ist es sowohl dem Deutschen Judo-Bund als auch dem Deutschen Behindertensportverband gelungen, zwei Jahre nach dem Start der ersten Weltmeisterschaft im ID-Judo (ID = Intellect disability) und schon ein Jahr nach der ersten ID-Europameisterschaft in London, die Reihe er Spitzensportveranstaltungen an gleicher Stätte in Köln nahtlos weiterzuführen.

Foto: Jürgen Gramsch

Die Durchführung der Europameisterschaft wurde vom Deutschen Judo-Bund an VG-Projekt in Köln, einem Mitgliedsverein des Behinderten- und Rehabilitationssportverbandes NRW, übertragen.

VG-Projekt zeichnete sich für die gesamte Organisation der Europameisterschaften verantwortlich. Das war nicht nur  eine logistische Herausforderung für das VG-Team um Klaus Gdowczok sondern auch finanzielle, zumal öffentliche Fördergelder kaum zur Verfügung standen. Der Deutsche Judo-Bund band sich intensiv in die Vorbereitung und Durchführung  der Europameisterschaften ein.  Bei allen Vorbereitungssitzungen war der Präsident des DJB, Peter Frese, anwesend. Gleiches gilt auch für das Judo-Team vom PSV Düsseldorfer um Wilfried Marx, das erheblich zum Gelingen der Europameisterschaft beigetragen hat.  Die wichtigen internationalen Kontakte ermöglichte Mady Holtackers aus den Niederlanden.

Für die 2. ID-Europameisterschaften hatten sich 120 Teilnehmer aus 15 Nationen angemeldet. Es konnten nur Judoka starten, die entweder durch den Weltverband für den Sport mit Geistigbehinderten (INAS) legitimiert sind oder eine amtliche Bescheinigung über die geistige Behinderung  (d. h. der Intelligenzquotient (IQ) muss unter 75 Punkten sein), oder eine behördliche ICD-10 Diagnose vorlegen konnten.

Am ersten EM-Tag wurden alle Teilnehmer im Bundesleistungszentrum akkreditiert. Anschließend wurde, wie im Judo-Sport allgemein üblich, das Gewicht überprüft. Am Abend lud die Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, Frau Henrike Reker alle Teilnehmer der Europameisterschaft zu einem  Empfang in das historische Kölner Rathaus ein.

Am 2. Tag folgte die Klassifizierung der Teilnehmer. Erstmals wurde in drei Wettkampfklassen gekämpft. In Wettkampfklasse 1 starteten die motorisch starken ID-Judoka, in Wettkampfklasse 2  die motorisch schwächeren Judoka und in  Wettkampfklasse 3 ausschließen Judoka mit dem Down-Syndrom. Das so genannte Divisioning wurde vom Niederländer Rudi Verhagen geleitet. Ihm standen mit Kerry Tansey aus Großbritannien und Frank Schuhknecht zwei Helfer zu Seite.

Das gemeinsame Training in verschiedenen Gruppen diente zum einen zur Kontrolle der angegebenen Wettkampfklassen und zum anderen zum ersten Beschnuppern der Gegner. Nur selten mussten die eingereichten Wettkampfklassen korrigiert werden, um faire Wettkampfbedingungen für alle Teilnehmer herzustellen.

Nach Waage und Klassifizierung  wurden die Judoka nach Gewicht und Level in die zu kämpfenden Wettkampfklassen aufgeteilt. Gekämpft wurde im Pool-System (jeder gegen jeden), aber ab sechs Teilnehmern erfolgte die Aufteilung in zwei Pools.

Am 1. Wettkampftag betraten die Athleten erstmals die Austragungsstätte in der ASV-Sporthalle. Was sie dort vorfanden, war einfach großartig und kaum zu toppen. Eine ausgeleuchtete Kampffläche mit  einer großartigen Video-Wand, so dass alle Kämpfe für Zuschauer und Teilnehmer auch auf der Großleinwand verfolgt werden konnten.  Ein umfangreiches und eindrucksvolles Catering versorgte alle Teilnehmer und Besucher während der gesamten Veranstaltung an beiden Tagen. Anwesend waren auch die beiden Präsidenten des Deutschen Judo-Bundes und des Deutschen Behindertensportverbandes, Peter Frese und Friedhelm Julius Beucher.

Gekämpft wurde am Vormittag und am Nachmittag in zwei Wettkampfabschnitten. Nach der jeweiligen Wettkampfsequenz erfolgte unmittelbar die Siegerehrung.

Der erste Wettkampftag gehörte den  Wettkampfklassen 2 und 3. Über sechs Stunden, unterbrochen von einer zweistündigen Mittagspause, wurde heftig aber immer fair gekämpft. Schon am Morgen konnte NRW mit Victoria Breidenstein aus Hünxe in der Klasse bis 78 kg und Christian Pallas aus Dülmen in der Klasse bis 60 kg zwei  Europameister stellen. Hinzu kamen im Laufe des langen Tages noch Silbermedaillen von Anjas Vriesen (Bocholt) bis 78 kg, Phil Taraschinski aus Hamm im Schwergewicht, Tobias Weyck (Leverkusen) in der Klasse bis 73 kg und Christoph Vriesen (Bocholt) in der Klasse bis 90 kg. Jeweils eine Bronzemedaille erkämpften Lennart Klaus (Hünxe) bis 60 kg, Ben Musaeus (Hückeswagen) bis 73 kg, Victor Gdowczok (Köln) bis 81 kg, Daniel Gietzold (Leverkusen) bis 90 kg, Daniela Schneider (Hünxe) bis 48 kg, Stefanie Drescher (Hückeswagen) bis 57 kg und  Lisa Heise (Mülheim) bis 70 kg. BRNNW-Leistungassportkoordinator Frank Schuhknecht konnte mit dem Abschneiden seiner Athleten am ersten Tag, mit dem Gewinn von  dreizehn Medaillen sehr zufrieden sein.

Sonntag gingen dann die Athleten der Wettkampfklasse 1 an den Start. Die Wettkämpfe erfolgten auf spürbar höherem Niveau. Hier zeigte sich besonders, dass es über den Begriff der geistigen Behinderung in Europa noch keinen einheitlichen Standard gibt. Während in Deutschland bisher verstärkt darauf geachtet wurde, dass ausschließlich Judoka mit einer klaren Zuordnung zu dieser Gruppe bei den Wettbewerben starten können, scheint der Begriff in anderen Ländern doch etwas  großzügiger ausgelegt zu werden. Mitunter waren deutliche Kompetenzunterschiede in Bewegungen, Techniken, vor allem in Schnelligkeit und taktischem Verhalten zu beobachten. Das dokumentierten  auch die Wettkampfzeiten, denn viele Begegnungen endeten schon nach wenigen Sekunden.

Dennoch konnten sich  auch am 2. Wettkampftag BRSNW-Athleten in vielen Klassen durchsetzen und insgesamt zwölf Medaillen gewinnen. Besonders schwer musste  Andrea Kuhne aus Bocholt in der Klasse über 78 kg kämpfen. Ihre Gegnerin sah nur wenige Sekunden vor dem Ende schon wie eine sichere Siegerin aus, aber mit einem einrucksvollen Kraftakt kam Andrea doch noch mit ihrer Technik durch und konnte mit einem abschließenden Haltegriff   ihren in London gewonnen Titel erfolgreich verteidigen. Eher überraschend war dagegen die zweite Goldmedaille durch Stephanie Knopp aus Leverkusen in der  Klasse bis 52 kg, die alle ihre Kämpfe innerhalb der ersten Minuten gewinnen konnte. Silbermedaillen gab es für die beiden amtierenden Weltmeisterinnen Jasmin Siebelitz (Hünxe) bis 70 kg und Carina Niemeyer (Dülmen) bis 78 kg. Aber auch die BRSNW-Männer konnten sich  mit drei Silbermedaillen  durch  Patrick Barendonk (Bocholt) bis 66 kg, Timo Karmasch (Hünxe) bis 90 kg und Wolfgang Trost (Leverkusen) im Schwergewicht behaupten. Bronzemedaillen erkämpften sich noch Evin Celiktas (Leverkusen) bis 52 kg, Sandra Kock (Dülmen) plus 78 kg, Andre Conen (Leverkusen) bis 73 kg und in der 81 kg-Klasse gemeinsam Christian Brieler (Hamm) und Dominic Rath (Wuppertal).

Von vielen Zuschauern und internationalen Trainern und Funktionären wurde die 2. Europameisterschaft im ID-Judo sehr gelobt. Durch das Team um Klaus Gdowczok und VG-Projekt wurde in Köln ein Standard gesetzt, der für zukünftige Spitzenveranstaltungen wohl nur schwer zu erreichen sein wird. Dennoch erklärte sich Russland auf  der Abschlussdiskussion in Köln bereit, 2021 die 2. ID-Judo-Weltmeisterschaften auszurichten. Damit sollte der Wunsch der ID-Judoka, spätestens 2028 bei den Spielen in Los Angeles „paralympisch“ zu werden, endlich in Erfüllung gehen.